Programm für Österreich: Ein Phyrrhus-Sieg der ÖVP

Die Bundesregierung hat, nach einem Autoritätsanfall des Bundeskanzlers, ein Arbeitsprogramm für das letzte Drittel der Legislaturperiode vorgelegt. Nur auf den ersten Blick gibt es Gewinner. Große Fragezeichen bleiben.Zunächst, das Programm, unter dem nun alle Mitglieder der Regierung unterschrieben haben, stärkt eine fast verloren geglaubte politische Mitte, allerdings mit einigen Vorbehalten. Die Themengebiete Arbeit, Wirtschaft und Universitäten sowie 2. verpflichtendes Kindergartenjahr und weite Teile der Integrationsvorhaben sind schon soweit in Ordnung. Völlig daneben sind weite Teile der Sicherheitsvorhaben, die nur den ängstlichen Uninformierten sinnvoll erscheinen können. Ein Terminfahrplan ist tatsächlich neu und sehr zu begrüßen.
Weite Teile der Vorhaben sind allerdings geduldig auf dem Papier. In Realität wird viel Geschick und Führungskompetenz von Kern und Mitterlehner nötig werden, die irrlichternden Teile der jeweiligen Parteiapparate im Zaum zu halten.
Denn nach dem ersten Jubel der ÖVP werden manche erkennen, dass sie über den Tisch gezogen worden sind. Und das ausgerechnet von einem sozialdemokratischen Bundeskanzler mit Inhalten, die jeder Schwarze unterschreiben muss!
Sicherlich ist Mitterlehner gestärkt, Lopatka, die ÖVP NÖ mit Sobotka sowie Außenminister Kurz geschwächt. Denn trotz allem triumphalem Grinsen vom Innenminister: die liebsten Spielplätze in den Gesinnungssümpfen von Sobatka, Lopatka und Kurz sind plötzlich trockengelegt. Die Integration wird angegangen, Obergrenzendiskussion zunächst beendet, Burkaverbot kommt, Überwachung ebenfalls verschärft. Worüber werden Kurz und Sobotka nun warnen? Es wird ein paar Wochen brauchen, bis sich diese Herrschaften neue Provokationsthemen angedient haben. In Wahrheit sind die zwei in eine strategische Falle von Kern gestolpert: thematisch klassisch ausgebremst.
Bundeskanzler Kern hat sich als Manager und Macher präsentiert, viele Punkte seines Plans A wurden irgendwie in die 35 Seiten gebracht. Sehr zum Erstaunen mancher roter Genossen, die ja auch so manches argwöhnisch beäugen!
Die wirklich großen Brocken sind ausgespart, die Finanzierung immer noch ein wenig vage. Und die berechtigte Frage bleibt bestehen: warum soll es jetzt wirklich besser werden. Es bleiben viele Fragezeichen.
Kern hat sich (und der SPÖ, solange sie ihm folgt) mit diesem Programm völlig abgesichert. Vielleicht wollte er tatsächlich Neuwahlen. Doch mit dem Papier, das viele ÖVP-Positionen unterstützt, ist eine Aufkündigung der aktuellen Regierung durch die ÖVP de facto verunmöglicht worden. Andererseits kann Kern jederzeit die Schlagzahl erhöhen, immer mit dem Hinweis, die Inhalte seien ja auf keinem Fall überwiegend sozialdemokratisch. Vor allen, wenn Sobotka dem medialen Vergleich des „Jackpots für die ÖVP“ hämisch grinsend zustimmt. Und wenn Kern in ein paar Monaten erneut mit Neuwahlen kokettiert, kann er mit Unschuldsmine behaupten, wirklich alles getan zu haben, um konstruktiv mit der ÖVP zusammenzuarbeiten. Es geht halt nicht, trotz den vielen „schwarzen Inhalten!“
Die nächsten Monate werden es zeigen! Der „Jackpot der ÖVP“ scheint womöglich ein veritabler Phyrrus-Sieg zu sein!